Christentum und Islam

Eines der Hauptmerkmale des Christentums ­ und insbesondere des orthodoxen ­ ist der Dialog zwischen Menschen, die guten Willens sind. Diese Tatsache wurzelt im Glauben der Kirche an das Erlosungswerk Christi fur die Menschheit und schließt als naturliche Folge auch den Dialog mit anderen Religionen und Konfessionen ein. Der Apostel Paulus bringt den okumenischen Geist der Kirche zum Ausdruck, wenn er in Athen nicht nur die religiose Sensibilitat der Athener wurdigt, sondern auch die Besonderheit ihres Glaubens an den aunbekannten Gott“. Diese Aussage des Apostels zeigt klar die Akzeptanz des einen Gottes als Schopfer von allem, der Welt und des Menschen: aGott, der die Welt erschaffen hat und alles in ihr … er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne… sie sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden konnten“ (Apg 17,24-28).

Der Islam als monotheistische Religion lebt auf die eine oder andere Weise im Bewußtsein Jesu ­ soweit es das Christentum betrifft ­ den er aMessias“ und aGeist Gottes“ nennt (Sure 4,169). Gleichzeitig findet sich in der grundlegenden Quelle des Islam, dem Quran, das Bekenntnis zur jungfraulichen Empfangnis und Geburt Christi (Sure 3,24). Der Quran unterstreicht auch die Rolle als Zeuge, die Jesus am Tag der Auferstehung aaller Verstorbenen“ haben wird, die unzweideutig akzeptiert ist. Fur Muhyi al-Din Ibn al-Arabi (=1148) ist Jesus, wenn Muhammad aSiegel der Propheten“ ist, das aSiegel der Heiligkeit“. Die gemeinsamen Merkmale der beiden großen Religionen Christentum und Islam, wie die gemeinsamen Merkmale der beiden großen Religionen Christentum und Islam, wie die Transzendenz Gottes, der Glaube an die Auferstehung u.a., bewirkte, daß beide Religionen schon sehr fruh in eine Dialog eintraten, mit den Umstanden entsprechenden Einflussen und Resultaten. Der Osten, der notwendigerweise mit der Religion Muhammads verbunden war und gleichzeitig mit einem gemeinsamen kulturell, sprachlich und religios pluralistischen Fundament, respektierte mit Duldsamkeit und Verstandnis die religiosen Erfahrungen der anderen Menschen. Der hl. Gregor Palamas (=1359) und Kaiser Manuel II. Palaologos (=1425) waren Schrittmacher des Dialogs mit dem Islam und nach ihnen der erste Patriarch nach der Eroberung Konstantinopels 1453 Gennadios Scholarios, der fur Mehmet den Eroberer in seinem Werk aBekenntnis des Glaubens“ die Grundlagen des Christentums auseinander setzt. Heute ist ein anderer Patriarch Fortsetzer der Tradition. Bartholomaios I. hat in einer Schrift betont:“ Unter den gegenwartigen Bedingungen ist die Verantwortung und die permanente Aufgabe der Religionen und vor allem des Christentums und des Islam, lebendige Mahnungen zu sein. Denn die reale Gottlosigkeit und die Ersetzung des gottlichen Beistands durch menschliche Krafte pressen den Menschen geradezu zusammen und fuhren ihn in individuelle und gesellschaftliche Sackgassen“. Naturlich ist es weder vernunftig noch wunschenswert, die Unterschiede der Religionen zu ubersehen, um nach der Schaffung einer Uberreligion zu streben, in der alle Unterschiede wie durch ein Wunder verschwinden. Ziel eines ehrlichen Dialogs ist es, unsere Unterschiede kennen zu lernen, damit wir sie hernach akzeptieren und endlich respektieren zu konnen.

Genau das ist der Geist zwischen Muslimen, die das Christentum kennen lernen wollen, und Christen, die den Islam verstehen wollen. Der wechselseitige Dialog ist ein Symbol in einer Welt, die durch Nationalismen aufgewuhlt ist, ein Symbol, das in beiden Religionen wirkt. Er kann historisch entscheidend fur das Weiterbestehen der beiden Religionen sein, womit auch das Fortbestehen der Menschheit garantiert ist. Die bedeutende muslimische Diaspora in der westlichen christlichen Welt und die Bedrohung durch die islamische Erweckungsbewegung begunstigen nicht nur nicht die Idee einer nach innen gerichteten Isolierung der islamischen Welt, sondern im Gegenteil bilden sie zuverlassige Triebfedern einer Erweiterung der islamischen Anwesenheit im Westen. Hier mussen wir beobachten, das die vielfaltigen rassischen oder religiosen Unterteilungen zu Lasten der islamischen Diaspora im Westen oftmals die Gemuter beschweren, wie es sich analog in den islamischen Landern zu Lasten der christlichen Gemeinden des Ostens verhalt. Wir sehen auch die umgekehrte Tatsache, das der Fanatismus der Bruderschaften der islamischen Religion unmittelbare Auswirkungen auf das christliche Element hat, ohne eine reale Sicherung des Prinzips der Glaubensduldung und der religiosen Freiheit.

Die Menschheit hat es vielmehr notig, den Blick weiter schweifen zu lassen und auf den Frieden zu richten, dem vor allem die christlichen Gemeinschaften dienen sollen. Die Okumenizitat des christlichen Geistes und besonders der Orthodoxie ist vielleicht der zugkraftigste Anfuhrer des neuen Geistes der Aussohnung und des Austauschs, weil sie als Zeugnis dialogisch ist. Objektives Ziel des Dialogs ist die Durchdringung der weltlichen Herrschaftsorgane mit gemeinsamen ethischen Auftragen und die Anpassung der Menschen an ein entsprechendes Benehmen. Es gibt allen Menschen gemeinsame Elemente, die die Zusammenarbeit von Weltsichten, Lebenssichten und Religionen notwendig machen.